Der 16-jährige Tom lebt bei seiner Mutter Tina Schuster und möchte gegen Corona geimpft werden. Er hat sich schon bei einem Arzt erkundigt und sich in den Medien über das Für und Wider einer Corona Impfung informiert. Seine Mutter ist strikt gegen diese Impfung. Sie scheut die gesundheitlichen Risiken, die eine Corona Impfung für ihren Sohn mit sich bringen könnte.

Toms Vater sieht die Sache dagegen anders.

Er befürwortet eine Corona Schutzimpfung für Tom. Er sieht ihren Nutzen höher an als das Risiko. Man wisse ja nicht, welche gesundheitlichen Folgen eine Corona Erkrankung haben könnte.

Beide Eltern haben die gemeinsame elterliche Sorge für Tom inne und jeweils gute Gründe für ihre Ansicht. Hier haben wir ein typisches Beispiel für eine Elternkontroverse. Die Frage ist jetzt nur…

Wer entscheidet nun, ob Tom geimpft wird oder nicht?

Wer darf entscheiden? Vater, Mutter, Kind?

Nach inzwischen wohl herrschender Rechtsprechung stellt die Entscheidung für eine Impfung eine grundlegende Entscheidung für das Wohl des Kindes dar. Solche Entscheidungen, deren Bedeutung über alltägliche Fragen hinausgeht, kann kein Elternteil alleine treffen.

Die Impfung setzt das Einvernehmen beider Elternteile voraus. Das gilt schon für „übliche“ Impfungen wie z.B. gegen Mumps, Röteln, Diphtherie und erst recht für eine Impfung gegen Corona Viren.

Was, wenn die Eltern sich nicht einigen?

Können sich die Eltern nicht einigen, kann der Elternteil, der die Impfung befürwortet, beim Familiengericht einen Antrag zu stellen, das Gericht möge ihm die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen.

Als Maßstab für die Entscheidung kann für das Gericht von Bedeutung sein, ob die Impfung einer Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch Instituts entspricht. Die Empfehlungen der STIKO sind als medizinischer Standard in der Rechtsprechung anerkannt. Bei einer Impfempfehlung aus sachverständiger Sicht der STIKO kann davon ausgegangen werden, dass der Nutzen einer empfohlenen Impfung höher ist als das Impfrisiko.

Das Problem ist, dass zwar die Europäische Arzneimittelbehörde den Impfstoff der Hersteller BioNTech/Pfizer auch für Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen hat, eine generelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission für eine solche Impfung liegt jedoch aktuell noch nicht vor!

Eine generelle Empfehlung ist derzeit wohl auch nicht zu erwarten, eventuell nur für Jugendliche mit besonderen Vorerkrankungen.

Das macht die Entscheidung für das Gericht sehr schwierig.

Ausschlaggebend könnte sein, dass Tom die Impfung wünscht.

Ein 16-jähriges Kind ist im familiengerichtlichen Verfahren zu beteiligen. Tom hätte sogar ein eigenes Beschwerderecht, wenn er mit einer Entscheidung des Familiengerichts nicht einverstanden ist.

  • Es ist davon auszugehen, dass bei Tom eine hinreichende Reife und Einsichtsfähigkeit vorhanden ist, die Chancen und Risiken einer Corona Schutzimpfung abzuwägen. Wenn er sich also für die Impfung ausspricht, könnte das ausschlaggebend dafür sein, dass das Gericht die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil überträgt, der die Impfung genauso befürwortet.
  • Ein Gericht könnte aber auch darauf abstellen, ob spezielle Vorerkrankungen bei dem Jugendlichen vorliegen, die den Nutzen einer Impfung besonders hoch erscheinen lassen oder ob solche Gründe für eine Impfung gerade nicht bestehen.
  • Das Gericht könnte sich aber auch auf den Standpunkt stellen, dass mangels einer Empfehlung der STIKO nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Impfung dem Kindeswohl mehr entspricht als keine Impfung.

Man wird die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu diesen schwierigen Problemen abwarten müssen.

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