Unterhalt ist keine Einbahnstraße!

Vor sechs Jahren macht Silvia Schmidt ihr Abitur. Im Anschluss daran absolviert sie drei Jahre lang eine Ausbildung zur anästhesietechnischen Assistentin. In diesem Beruf arbeitet sie dann weitere drei Jahre. Mehr als sechs Jahre nach dem Abitur bekommt sie endlich den heiß ersehnten Studienplatz für Medizin zugeteilt.

Seit dem Abitur bewirbt sie sich jedes Semester für den Studienplatz!

Denn eins steht für Silvia Schmidt immer fest: Sie möchte nach der Ausbildung studieren. Während der ganzen Zeit besteht zu ihrem Vater kein Kontakt … und das schon lange, bevor Silvia Schmidt überhaupt ihr Abitur besteht.

Dennoch gratuliert der Vater seiner Tochter schriftlich zur bestandenen Reifeprüfung und schreibt bei der Gelegenheit auch, dass er davon ausgehe, keinen Unterhalt mehr für sie zahlen zu müssen. Silvia Schmidt antwortet ihrem Vater nie darauf und fordert keinen Unterhalt von ihm ein.

Von dem Medizinstudium erfährt der Vater zu Studienbeginn.

Dies geschieht jetzt nicht durch seine Tochter, sondern durch ein Schreiben des BAföG-Amtes. Durch Erwerb eines kreditfinanzierten Hauses hat der Vater allerdings über die Jahre eigene finanzielle Dispositionen getroffen und Konsumkredite aufgenommen!

Und nun soll er plötzlich für das Medizinstudium seiner Tochter auf Unterhalt in Anspruch genommen werden? Nach all den Jahren sieht er nicht ein, dass er noch etwas zahlen soll.

Was sagt die Rechtssprechung?

Grundsätzlich schuldet der Vater im Rahmen des Kindesunterhaltes nur die Kosten einer Ausbildung

  • Silvia Schmidt hat aber bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung
  • und sie hat auch bereits mehrere Jahre im erlernten Beruf gearbeitet

Die Rechtsprechung bejaht jedoch einen einheitlichen Ausbildungsgang, wenn das anschließende Studium

  • in einem engem zeitlichen Zusammenhang  und
  • in einem sachlichen Zusammenhang mit der Lehre steht.

Im vorliegenden Fall bejaht der Bundesgerichtshof diesen Zusammenhang, obwohl zwischen Abschluss der Lehre und Beginn des Studiums fast drei Jahre liegen. Denn dass Silvia Schmidt so lange auf ihren Studienplatz warten musste, hat schließlich seine Ursache in Umständen, die ihr nicht anzulasten seien (Wartesemester)!

Unterhalt ist aber keine Einbahnstraße!

Deswegen gilt: Die Unterhaltszahlung muss dem Unterhaltspflichtigen zumutbar sein! Dabei spielen folgende Kriterien eine Rolle:

  • Das Alter des Kindes und
  • andere Umstände

Wichtig ist außerdem, inwieweit der Unterhaltspflichtige

  • vom Ausbildungsweg Kenntnis hat
  • und mit der Studienaufnahme rechnen muss.

Doch der Vater weiß von nichts.

Denn im vorliegenden Fall hat Silvia Schmidt ihren Vater in Unkenntnis gelassen. Sie hat ihm nicht mitgeteilt, welchen weiteren Ausbildungsweg sie einschlagen möchte –  und das bereits seit dem Abitur, seitdem sie keinen Unterhalt von ihm fordert.

Deswegen kann ihr Vater darauf vertrauen, dass er nicht Jahre später plötzlich noch auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen werden soll, weil die Tochter nach der Ausbildung studieren will.

Maßgebend ist außerdem, dass ihr Vater in berechtigtem Vertrauen, keinen Unterhalt mehr zu schulden, finanzielle Dispositionen getroffen hat, die seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schmälern (Hauskauf, Konsumkredite).

Die Tochter möchte nach der Ausbildung studieren?

So bitter es ist: Dann muss sie sich selbst um die Finanzierung kümmern. Der Bundesgerichtshof verneint einen Unterhaltsanspruch von Silvia Schmidt gegen ihren Vater.

Sie sind in der Ausbildung oder im Studium, haben Unterhaltsansprüche oder sind unterhaltspflichtig? Vereinbaren Sie jetzt einen Beratungstermin in unserer Kanzlei. Wir unterstützen Sie gerne und informieren Sie über Ihre Rechte und Pflichten.